Nutzen von ERP-Studien und Marktübersichten

In letzter Zeit werden wir immer öfter angesprochen, warum wir in dieser oder jener Marktübersicht nicht vertreten sind oder nicht an dieser oder jener Umfrage teilnehmen. Jüngst erst führte die TOVARIT AG wieder eine Kundenzufriedenheitsanalyse durch. Wir haben uns entschieden, nicht daran teil zu nehmen. Warum?

Die Qual der Wahl

Neben einigen renomierten Marktforschungsinstituten wie Gartner, IDC oder McKinsey gibt es zahlreiche kleinere und regionale Institute. Vor allem Gartners Hype Cycles und Magic Quadrants sind zum Vorbild für unzählige Nachahmer geworden. Das ist verständlich, behandelt das Original doch zumeist global agierende Großkonzerne. Kleine und Lokale Anbieter von Lösungen haben i. d. R. kaum eine Chance, in die Technologiestudien der Branchenriesen aufgenommen zu werden. Gerade darin liegt aber auch das Dilemma.

Auch kleinere und mittelständische Unternehmen orientieren sich immer öfter an den Analystenmeinungen von Gartner, IDC & Co. Ausschlaggegebend scheint ganz klar Reputation und Bekanntheit. Sowohl wir als Hersteller stehen wie unsere Kunden vor der Frage, welche von den mittlerweile unzähligen kleineren, unbekannteren Plattformen soll ich trauen? Wer bietet eine möglichst vollständige Übersicht der mittlerweile doch an die 1.000 Anbieter allein in Europa?

Eine Faustregel sagt, dass es die Top-Kandidaten eines Wettbewerbs oder einer Marktstudie wert sind, in die engere Auswahl gezogen zu werden. Wenn da nicht ein kleiner Beigeschmack bliebe: Die Teilnahme an Studien und Markübersichten kostet in der Regel Geld, oft nicht gerade wenig. Geld, welches wir lieber in die Entwicklung unserer Produkte und Kommunikation mit unseren Kunden investieren. So ist denn auch zu erklären, dass sich in vielen Übersichten immer wieder die gleichen Anbieter tummeln. Es bleiben mangelnde Transparenz und Zweifel an der Unabhängigkeit.

Ich bleibe einmal beim aktuellen Beispiel Tovarit:

SAP und SAGE neben Allgeier, HELIUM V und open ERP? Da drängt sich mir der Vergleich von Äpfeln mit Birnen auf. Bei der Umfrage der Tovarit AG werden alle Branchen, Größen und Funktionalitäten in einen großen Topf geworfen, kräftig umgerührt und durch ein Sieb in Form gegossen. Auswahl und Kriterien kommen mir reichlich intransparent vor. Mitmachen kann, wer die Mindestanzahl Bewertungen erreicht. Das wollte ich genauer wissen.

Die Teilnahme selbst klingt erst einmal einfach, benötigt man doch nur eine der Anzahl der Installationen entsprechende ausreichende Anzahl Bewertungen. Doch was auf den ersten Blick einfach und fair klingt, erscheint bei genauerem Hinschauen als äußerst intransparent.

Prozentual betrachtet, müssen kleine Unternehmen 10% ihrer Anwender motivieren, größere nur noch 5%, maximal jedoch 50 für die größten Anbieter ab 1.000 Installationen. Die geforderte absolute Zahl mag für einen kleinen Anbieter sehr hoch sein, für Branchenriesen wie SAP und SAGE ist das eine unverhältnismäßig klein erscheinende Zahl.

Weitere Auszüge aus den Teilnahmenbedingungen: “Zugelassen wird dabei eine Wertung je Betrieb/Installation. Bei Mehrfachbewertung aus einem Betrieb wird per Zufall eine Bewertung für die Analyse gezogen.”

Weiter heißt es: “Dabei sollten sie beachten, dass im Zuge der Qualitätsprüfung
erfahrungsgemäß bis zu 25% der eingegangen Bewertungen ausgeschlossen werden müssen. … Darüber hinaus behalten sich die Organisatoren der Studie in Abhängigkeit von den Ergebnissen der statistischen Qualitätsprüfung der Stichproben (z.B. Prüfung auf Normalverteilung) vor, das Zufriedenheitsprofil einer Lösung nur mit dem Vermerk „Eingeschränkte Belastbarkeit der Ergebnisse“ zu veröffentlichen obwohl gemäß der o.g. Vorgabe genügend Datensätze vorliegen.”

Die vollständigen Bedingungen sind auf der Webseite der Tovarit AG einsehbar. Ich habe jedoch stark den Einruck, dass die Auswertung sehr willkürlich erfolgt und ich sie weder nachvollziehen kann noch dass sie besonders repräsentativ ist. Den Eindruck untermauert vor allem die zufällige Auswahl bei Mehrfachbewertungen. Ein Durchschnittswert wäre da sicher objektiver.

Menschen kaufen von Menschen

Final stellt sich mir die Frage nach der Relevanz dieser Studien, Übersichten und Umfragen als Grundlage für Kaufentscheidungen. Auf diesem Gebiet hat sich in den letzten Jahren viel verändert. Allein durch das Internet sind so viele Informationen zu einem Produkt verfügbar, dass Kunden oder Kaufinteressenten manchmal schon besser informiert sind als der Vertreter eines Herstellers.

Marktübersichten können eine erste Orientierungshilfe sein. Auch wir verschließen uns nicht gänzlich der Welt der Studien und Marktübersichten. Aktuell sind wir nominiert für das ERP System des Jahres — ein Wettbewerb der Universität Potsdam — und sind an verschiedene Medien mit Übersichten zu ERP-Anbietern, u. a. die Computerwoche, herangetreten.

Fazit: Große Unternehmen entscheiden nach Gartner & Co. Für kleinere Unternehmen gibt es keine vergleichbare Alternative. Weder auf der Anbieter- noch auf der Anwenderseite. Die Chance, von einem Interessenten in einer Marktübersicht mit bis zu mehreren Hundert Anbietern gefunden (und ausgewählt) zu werden, ist reine Glückssache. In einer einzelnen Übersicht können bis zu 800 Anbieter enthalten sein. In der Regel entscheiden im KMU-Umfeld Vertrauen und persönliche Beziehungen. Daher sollten gerade kleinere Anbieter äußerst sorgfältig auswählen, in welche Maßnahmen sie investieren und lieber den direkten Kontakt mit ihrer Zielgruppe suchen. Nicht zuletzt weil wir wissen, worauf es bei der Anschaffung von Unternehmens-Software ankommt. Kundenzufriedenheit ist immer ein sehr subjektiver Aspekt.